- Saurier: Warum starben sie aus?
- Saurier: Warum starben sie aus?Die Saurier und unter ihnen insbesondere die Dinosaurier waren die spektakulärsten Tiere, die jemals die Erde bewohnten. Die größten Tiere, die je an Land lebten, waren Dinosaurier. Sie wurden bis zu dreißig Meter lang, zwölf Meter hoch und achtzig Tonnen schwer. Seit dem Fund der ersten Dinosaurierfossilien um die Mitte des 19. Jahrhunderts sind die Menschen von diesen Tieren ihrer schieren Größe wegen fasziniert — und ebenso von ihrem plötzlichen Verschwinden. Wohl keine andere Tiergruppe liefert so spannenden Stoff für Hollywood-Filme. Im Film »Jurassic Park« von Steven Spielberg wurden sie durch Computeranimation und Tricktechnik zum Leben erweckt. Den Geologen und Paläontologen gelang es in den letzten Jahrzehnten, ein eindrucksvolles Bild dieser Beherrscher des Erdmittelalters zu zeichnen.Bemerkenswert sind auch die Indizien, die zusammengetragen wurden, um das plötzliche Verschwinden dieser und vieler weiterer Tier- und einiger Pflanzengruppen an der Grenze zwischen der Kreide und dem Tertiär zu erklären. Außer den Sauriern starben damals vor allem auch die Ammoniten und die Belemniten, riffbildende Muscheln, viele Meeresschnecken, die Zahnvögel sowie wichtige Foraminiferengruppen aus. Verschiedene Ursachen dieser globalen Katastrophe und die darauf folgenden Umweltveränderungen lassen sich ganz gut rekonstruieren, aber es ist umstritten, welchen Anteil sie im Einzelnen am Massenaussterben der unterschiedlichsten Arten — von planktonischen Einzellern bis hin zu den größten Riesen des Festlands — hatten. Aus den Reptilien gingen die Vögel und die Säugetiere hervor. Aber erst mit dem Aussterben einer großen Gruppe von Reptilien, den Sauriern, begann die Radiation der Säugetiere — sind Katastrophen Motoren der Evolution?Die Katastrophe an der K / T-GrenzeBereits geologisch betrachtet, bildet die Grenze zwischen der Kreide und dem Tertiär, kurz K / T-Grenze genannt, eine zum Teil schroffe, augenfällige Zäsur. Als schmales Band in der Schichtenfolge markiert sie den Übergang vom Erdmittelalter zur Erdneuzeit, also vom Mesozoikum zum Känozoikum. So trennt etwa am dänischen Stevns Klint ein nur zentimeterschmales Band als dunkler Fischton die älteren Kreideschichten von den tertiären Kalksteinen. Dieser Grenzton, auf den man inzwischen an mindestens 150 anderen Orten der Erde gestoßen ist, erzählt eine Geschichte, die unglaublicher nicht klingen könnte. Er berichtet von einem Meteoriteneinschlag unvorstellbaren Ausmaßes, von nahezu sterilen Ozeanen, von einer eisigen Welt und von einem anschließenden Treibhausklima in einer global vergifteten Umwelt — kurzum von der Apokalypse schlechthin. Vielleicht lief das Katastrophenszenario wie folgt ab.Als es dunkel wurdeEs war am Golf von Mexiko vor 65 Millionen Jahren. Auf dem Festland hatten die bedecktsamigen Pflanzen, die weitere 50 Millionen Jahre früher — nach neueren Funden aus China vielleicht sogar noch früher — die Vorherrschaft der Farne, Cycadeen und Bennettiteen abgelöst hatten, Wälder von Laubbäumen entstehen lassen. Eine reiche Insektenfauna sorgte für die Bestäubung. Das Plankton im Golf erhöhte seine Biomasseproduktion; auf dem Land beherrschten die großen Saurier die Szenerie. Es gab auch bereits Säugetiere in den Wäldern, sie konnten sich aber fast hundert Millionen Jahre lang nur als kleine Insektenfresser »im Schatten« der alles beherrschenden Reptilien entwickeln.Buchstäblich mit einem Schlag findet dieses kreidezeitliche Szenario ein Ende. Ein gigantischer Meteorit mit mindestens 10 Kilometer Durchmesser, mit einer Masse von weit über 500 Milliarden Tonnen, rast mit einer Geschwindigkeit von 20 Kilometer pro Sekunde auf die Erde zu. Der Eintritt in die Erdatmosphäre bremst das galaktische Geschoss kaum ab; Sekunden später schlägt es teils an Land, teils am Meeresboden auf und hinterlässt auf der damaligen Insel Yucatán einen 300 Kilometer großen, halbkreisförmigen Einschlagkrater. Die Aufschlagenergie entspricht der Sprengkraft von über 60 Millionen Megatonnen TNT oder fünf Milliarden Hiroshima-Atombomben. Die unmittelbare Umgebung des Einschlagorts erhitzt sich auf über tausend Grad Celsius. Gestein schmilzt glasartig auf und wird hochgeschleudert; ein gewaltiger Feuersturm bricht los, der auf dem Festland Waldbrände unvorstellbaren Ausmaßes entfacht.Ein riesiger Rauchpilz wächst bis in die obersten Schichten der Stratosphäre. Mit ihm gelangen Milliarden Tonnen Ruß, Asche, Gesteinstrümmer und Gase nach oben; diese Rauchsäule ist noch in Hunderten von Kilometern Entfernung zu sehen. Vielfach finden sich in entsprechenden Sedimenten Tektite. Diese glasartigen, millimetergroßen Gesteinskügelchen sind wichtige Indizien für den Einschlag; aufgrund ihrer Verteilung hat man den Einschlagkrater ausfindig gemacht.Das hochgeschleuderte Material bildet einen dunklen Wolkenschleier, der die Sonne verfinstert; in den ersten Tagen nur regional, doch die Luftströmungen sorgen dafür, dass sich der finstere Vorhang innerhalb weniger Wochen entlang dem Breitengrad des Einschlags global vor die Sonne schiebt. Mehrere Wochen, vielleicht Monate lang herrscht Finsternis auf der Erde. Die Temperaturen sinken rapide. Die unvorstellbar großen Wassermassen, die beim Einschlag verdampft sind, werden wegen der drastisch gesunkenen Temperaturen als Schnee niedergeschlagen.Durch die Hitze des Einschlags haben sich gigantische Mengen an Stickoxiden gebildet. Dieses Gas vergiftet binnen Stunden die Erdatmosphäre. Hochkatapultiert in die Stratosphäre zerstört es dort das Ozon, das als Schutzschicht das Leben auf der Erde vor den gefährlichen UV-Strahlen der Sonne bewahrt.Innerhalb weniger Jahre verteilt sich die Stickoxidfracht weltweit. Als salpetrige Säure regnet sie wieder auf die Erde und vergiftet dort Flüsse, Seen und Böden. Über die Flüsse gelangt das saure Regenwasser in die Ozeane und verschiebt dort die chemische Zusammensetzung, auf die das Plankton empfindlich reagiert. Die Folge: Die Planktonlebewesen der Meere sterben bis auf wenige unempfindliche Arten ab. Verstärkt wird dieser Effekt durch die enormen Mengen organischen Materials, das von den getöteten Landtieren und den abgestorbenen Landpflanzen stammt und mit dem Flusswasser ins Meer gelangt. Der biologische Abbau dieser Biomasse beschert den marinen Mikroorganismen zwar noch eine kurze Blüte, aber bald ist nahezu aller Sauerstoff aufgezehrt — die Meere veröden zu nahezu sterilen, toten Gewässern.Dies beschwört eine weitere katastrophale Folge herauf. Dank der Stoffwechselaktivität des Planktons fungieren die Meere — damals wie heute — als die wichtigste Senke für das Treibhausgas Kohlendioxid. Planktonorganismen benötigen Kohlendioxid, um daraus ihre Biomasse aufzubauen und entziehen es so dem globalen Kreislauf. Sterben die Organismen ab, dann sinken sie auf den Meeresboden, wo sie sich langsam zersetzen oder von den Bodenbewohnern gefressen werden. Doch dieser Kohlendioxid-Entzug fehlt nun. Stattdessen gast Kohlendioxid aus dem Wasser aus und reichert sich in der Atmosphäre an. Die Folge: Die globale Durchschnittstemperatur steigt allmählich wieder an.Der schwarze Schleier aus Asche- und Rußpartikeln verschwindet nach wenigen Wochen und Monaten wieder; die relativ großen Partikel sinken zu Boden oder werden mit dem Regen wieder ausgewaschen. Die Sonne kann die schneebedeckte Erde wieder erwärmen — erst langsam, weil die weiße Schneeoberfläche für eine hohe Rückstrahlung der Sonnenenergie sorgt, doch in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten aufgrund des Treibhauseffekts immer intensiver.Das Leben auf der Erde erholt sich von diesem Schlag nur langsam. Es dauert mehrere Jahrtausende, bis sich wieder neue, nun tertiärzeitliche Lebensgemeinschaften auf dem Land, in Flüssen und Seen sowie im Meer bilden. Neue Planktongesellschaften entstehen, die zunehmend mehr Kohlendioxid binden — der Treibhauseffekt klingt allmählich ab. Die Radiation der tertiären Tier- und Pflanzengruppen kann beginnen. Auf dem Land treten nach dem Aussterben der Dinosaurier die Säugetiere und die Vögel ihren Siegeszug an.Zeugen der KatastropheSo apokalyptisch dieses Szenario auch klingen mag, es liegen ihm nachprüfbare Fakten zugrunde. Auch wenn vielleicht noch gar nicht alle Umweltauswirkungen jenes gigantischen Meteoriteneinschlags bekannt sind, so erklärt doch das Szenario das Massenaussterben an der K / T-Grenze. Es zeigt, dass ein einziges Katastrophenereignis zwar nicht in der Lage ist, das Leben plötzlich und global auszulöschen, dass es aber Folgen zeitigt, die sehr wohl das Aussterben eines großen Prozentsatzes vieler Lebewesen auf der Erde verursachen können.Wohl kein anderes Massenaussterben beflügelte die Fantasie der Geologen und Paläontologen mehr als jenes an der K / T-Grenze. Die Zahl der Theorien hierzu dürfte der Zahl der ausgestorbenen Gattungen kaum nachstehen, wurde scherzhaft behauptet.Der Physik-Nobelpreisträger Luis Alvarez und sein Sohn, der Geologe Walter Alvarez, haben in den 1970er-Jahren diese Meteoriten-Hypothese aufgrund einer von ihnen entdeckten Iridium-Anomalie aufgestellt. Das Metall Iridium ist auf der Erde ausgesprochen selten, in Meteoriten findet man es deutlich häufiger. Im Grenzton nahe der italienischen Stadt Gubbio, der ähnlich wie der Fischton von Stevns Klint in Dänemark als dünnes Band die kreidezeitlichen von den tertiären Sedimenten trennt, stießen die beiden Amerikaner auf eine dreißigfach erhöhte Iridium-Konzentration. Nachdem sie und andere Geologen in anderen Grenzschichten jener Zeit ebenfalls dieses Phänomen vorgefunden hatten, verdichtete sich die Meteoriten-Hypothese — allein ein aus dieser Zeit stammender Krater fehlte.Erst 1991 entdeckte man durch Auswertung von Satellitenbildern im Golf von Mexiko und auf der angrenzenden Halbinsel Yucatán die Überreste eines Meteoritenkraters, dessen äußerer Ringdurchmesser 300 Kilometer misst. Die radiometrische Datierung des Gesteins ergab, dass er just in der Zeit der K / T-Grenze entstanden sein muss. Die Größe des Kraters und gleich alte Tektite lassen erahnen, wie gewaltig der Einschlag an der K / T-Grenze gewesen sein muss. Der Krater trägt seitdem den Namen Chicxulub.Ausmaß der KatastropheAnalysen von Sauerstoffisotopen, die der britische Geophysiker Nick Shackleton 1978 an fossilen Foraminiferen aus Bohrkernabschnitten der K / T-Grenzschicht vornahm, zeigten, dass es während dieser Zeit einen massiven Klimaumschwung gegeben haben muss. Die Methode beruht darauf, dass das Verhältnis verschiedener Sauerstoffisotope, die man in den winzigen Schalen der Foraminiferen mittels eines speziellen Massenspektrometers messen kann, etwas über die Meerwassertemperatur zu jener Zeit aussagt, als diese Schalen gebildet wurden.Eine weitere Isotopenanalyse an Mikrofossilien, diesmal der eingelagerten Kohlenstoffisotope, zeigte schließlich die vielleicht verheerendste Folge des Einschlags: Der gemessene Gehalt an Kohlenstoff 13 in den untersuchten Mikrofossilien besagt, dass zu jener Zeit die Biomasseproduktion im oberflächennahen Ozeanwasser äußerst gering war — sie unterscheidet sich praktisch nicht mehr von der verschwindend geringen Biomasseproduktion am Meeresboden. Mit anderen Worten: Die Meere zu jener Zeit waren über Jahrtausende hinweg praktisch tot. Statt Kohlendioxid dem Kreislauf zu entziehen, gasten die Meere riesige Mengen dieses Treibhausgases aus und heizten dadurch die Erde kräftig auf. Die Kohlenstoffanomalie an der K / T-Grenze erklärt also, weshalb sich, wie es die Sauerstoffanomalie anzeigt, das Klima änderte.Analysen fossiler Pollen von Samenpflanzen und Farnsporen im US-Bundesstaat New Mexico geben Auskunft darüber, was zu jener Zeit mit den Landpflanzen geschah. Paläobotaniker fanden dort eine bemerkenswerte Verschiebung des Anteils beider Pflanzengruppen. In den obersten kreidezeitlichen Schichten erreichen die Farnsporen gegenüber den Pollenkörnern lediglich einen Anteil zwischen 14 und 30 Prozent. Dies spiegelt die damalige Überlegenheit der Samenpflanzen-Flora gegenüber der alten Farnpflanzen-Flora wider.Im Bereich des Grenztons, also genau an der K / T-Grenze, erhöht sich jedoch der Anteil der Farnsporen auf 99 Prozent; und nur wenige Zentimeter darüber, also kurze Zeit später, steigt der Anteil der Pollen wieder auf die alten, kreidezeitlichen Werte an. Es geschah also an der K / T-Grenze genau das, was etwa nach einem Vulkanausbruch zu beobachten ist: Auf dem nackten, sich abkühlenden Lavaboden siedeln als Pioniere zunächst Farne, die später wieder von Samenpflanzen verdrängt werden. Dieses als »fern spike« — zu Deutsch etwa Farnpflanzen-Maximum — bezeichnete Phänomen fanden Paläobotaniker auf dem gesamten nordamerikanischen Kontinent. Die Pollenanalysen beweisen zudem, dass längst nicht alle kreidezeitlichen Bedecktsamer-Arten die K / T-Grenze überwinden konnten. Die tertiären Sedimente zeigen neben einigen »alten Bekannten« auch eine Vielzahl von Bedecktsamern, die erst im Tertiär entstanden sind.Kritische EinwändeNach erster oft begeisterter Zustimmung zu Alvarez' verblüffender Erklärung kamen von vielen Paläontologen ernste Einwände. So hatten die Dinosaurier am Ende der Kreidezeit den Höhepunkt ihrer Entwicklung bereits überschritten und befanden sich schon seit dem Unterjura im Rückgang, sodass es keiner großen Katastrophe zu ihrem Untergang mehr bedurfte. Zum Beispiel zeigen Untersuchungen an Dinosaurier-Eiern in Südfrankreich pathologische Veränderungen der Schalen. Teils waren sie stark verdickt (Erstickungsgefahr für den Embryo), teils zu dünn (Austrocknungsgefahr); der Nachwuchs ging also zugrunde. Anderseits fand man Dinosaurierfossilien, wenn auch in geringerer Zahl, noch in alttertiären Schichten, so in Südfrankreich, im Südwesten der USA, in Bolivien und in der Gobi. Auch die meisten übrigen Großsaurier standen am Ende ihrer Entwicklungslinien, ebenso die Ammoniten. Außerdem erhebt sich die Frage, warum andere, genauso alte landbewohnende Reptiliengruppen wie die Brückenechsen, Schildkröten, Echsen (Warane, Geckos, Eidechsen), Krokodile und Schlangen überlebten. Warum waren die Auswirkungen auf die terrestrische Pflanzenwelt insgesamt so gering? Die Beeinträchtigung der Atmosphäre hätte sie doch besonders treffen müssen.Vulkanische und plattentektonische AktivitätenRelativ hohe Iridium-Gehalte weisen auch manche Vulkane auf. Die Grenztonschicht mit ihrer Iridium-Anreicherung kann daher auch durch Ablagerung vulkanischer Tuffe entstanden sein. Viele Paläontologen erklären die Massenaussterbe-Ereignisse allein durch Klimaänderungen, die sich wiederum hauptsächlich auf plattentektonische Bewegungen zurückführen lassen. Die »Plötzlichkeit« der Katastrophen zog sich oft über mehrere Jahrtausende oder gar einige Jahrmillionen hin.Es mag ein eigenartiger Zufall sein, dass sich gleichzeitig mit dem Meteoriteneinschlag auf Yucatán an der Wende Kreide/ Tertiär gewaltige vulkanische Vorgänge abspielten, die als Auslöser für das Massenaussterben infrage kommen. Viele Geologen halten den Meteoriteneinschlag für ein Ereignis eher regionalen als globalen Ausmaßes. Tatsache ist, dass es damals auf dem indischen Subkontinent zu langanhaltenden, sich über 600 000 Jahre hinziehenden basaltischen Spaltenergüssen kam. Die ein bis zwei Kilometer dicken Lavaschichten (Trappdecken) bedecken heute eine Fläche von 260 000 Quadratkilometern. Bei den Ausbrüchen wurden riesige Mengen an Rauch und Staub ausgestoßen, die sich in der Atmosphäre über die ganze Erde ausbreiteten, ähnlich wie das in wesentlich bescheidenerem Ausmaß nach dem Ausbruch des Tambora (1815; er verursachte das »Jahr ohne Sommer«) und des Krakatau (1883) der Fall war. Die ökologischen Folgeerscheinungen glichen denen des meteoritischen Ereignisses: Reduktion der Sonneneinstrahlung, Abkühlung der Erdoberfläche, Rückgang der Produktivität unter den ozeanischen Organismen, Unterbrechung der Nahrungskette auf dem Festland, Massenaussterben.Die PermkatastropheInsgesamt sind mindestens fünf Massenaussterbe-Ereignisse in der Entwicklung der Tierwelt erkennbar: im späten Ordovizium (vor etwa 450 Millionen Jahren), im Oberdevon (vor 360 Millionen Jahren), am Ende des Perm (vor 251 Millionen Jahren), am Ende der Trias (vor 206 Millionen Jahren) und an der Wende Kreide/ Tertiär (vor 65 Millionen Jahren). Die stärksten Auswirkungen hatte die Permkatastrophe. Mit dem Ende der Unterpermzeit verändert sich die überreich entwickelte Pflanzenwelt; es kommt zu einer Verringerung der Biomasse und der Entwicklungslinien. Das Paläophytikum hört viele Millionen Jahre früher auf als das Paläozoikum, das mit der schlimmsten Krise aller Zeiten für die Tierwelt endet.Der Süden der Erde unterlag seit dem ausgehenden Karbon einer Vereisung, wie Gletscherschrammen und Grundmoränen (Tillite) in Südafrika, Nordindien, Australien und Südamerika belegen. Die Tierwelt verlor in einem Zeitraum, der sich etwa über 10 Millionen Jahre hinzog, die Großforaminiferen (Fusulinen), Trilobiten, einen Großteil der Korallen, der Crinoiden, Armfüßer, Moostierchen und Ammonoideen. Von den Ammonoideen retteten sich nur zwei bis drei Gattungen in die Trias hinüber. Insgesamt gingen 85 % der Meeres- und mindestens 70 % der terrestrischen Wirbeltierarten zugrunde.Die Permkatastrophe wird von nordamerikanischen Forschern auf die Veränderung der kontinentalen Konfiguration des Superkontinents Pangäa und die damit zusammenhängende stärkste Vereisung der südlichen Hemisphäre zurückgeführt. Die vom Massenaussterben betroffenen Tiergruppen waren vorwiegend Bewohner der Flachmeerschelfe des damaligen äquatornahen Tethys-Meers. Etwa 100 Millionen Jahre hatten für diese Flachmeerbewohner gleich bleibende Bedingungen (Temperatur, Salzgehalt, Verlauf der wichtigsten Meeresströmungen) geherrscht. Es hatte sich ein hochsensibles Gleichgewicht zwischen diesen Verhältnissen und den marinen Lebensgemeinschaften entwickelt.Die ganze marine Lebenswelt war durch die günstigen Verhältnisse zu einer »marinen Biosphäre« geworden, die durch die kleinsten Veränderungen, seien diese durch die Evolution selbst hervorgebracht (andere Nahrungsketten), sei es durch eine radikale Veränderung der Wassertemperatur und der Meeresströmungen oder sei es durch extremen Vulkanismus, insgesamt betroffen werden konnte. Alle diese Faktoren kamen anscheinend damals zusammen: die die südliche Hemisphäre weiträumig mit Gletschern bedeckende Vereisung, der Vulkanismus der Oberkarbon- und Permzeit im Rahmen der variskischen Gebirgsbildung, die Austrocknung von Teilen der Festlandgebiete, die vorher von Flachmeeren überflutet waren und nun zu enormen Salzablagerungsräumen wurden. Die Evolution verschiedener Stämme hatte aber auch einen Punkt erreicht, an dem alle erreichbaren Entwicklungsmöglichkeiten durchlaufen waren. Ein Zurück in vorher schon einmal da gewesene Merkmalsmuster war, wie schon der belgische Paläontologe Louis Dollo 1893 erkannte, der Tierwelt nicht möglich.Fusulinen und AmmonitenDie Foraminiferen sind eine Tier-Ordnung, die seit dem Kambrium fossil belegt ist. Die zu ihr zählenden marinen Organismen haben vielgestaltige, meist von Poren durchbrochene Kalkschalen mit Größen von unter einem Millimeter bis über zehn Zentimeter. Zu den Foraminiferen gehört die Familie der Fusulinen, die im Karbon und im Perm in seichten, küstenfernen Zonen der Tethys lebten. Wegen ihrer großen Verbreitung und der kurzen Dauer der Existenz ihrer Arten sind sie wichtige Leitfossilien. Mit der Perm-Trias-Grenze verschwinden diese Großforaminiferen völlig und erreichen erst 100 Millionen Jahre später in der Oberkreide und im Alttertiär mit den nunmehr kreisrunden, ebenfalls vielkammerigen Nummuliten ein zweites Evolutionsoptimum.Bei den Ammoniten, die seit dem Beginn biostratigraphischer Untersuchungen vor 200 Jahren als verlässliche Zeitmarken erforscht wurden, zeigt sich eine ganze Reihe von »Aussterbe«- und neuen »Virenzzeiten«. Es hat ganz den Anschein, als ob diese weniger in äußeren Bedingungen (paläogeographische Veränderungen, neu auftretende Nahrungskonkurrenten) als in ihren Evolutionsabläufen selbst gelegen hätten. Der Gehäuseaufbau und die Lage des Siphos dieser Tintenschnecken paläo-und mesozoischer Meere waren in ihren Vererbungsmechanismen streng auf eine bestimmte Entwicklungsrichtung festgelegt. Die dadurch ermöglichte große Variabilität der Formen wurde von den Ammoniten in geologisch kurzer Zeit realisiert.Nach einer ersten Aussterbekrise am Ende des Devons folgte die große Aussterbekrise am Ende der Permzeit. Anderseits entstehen im Perm aber bereits Ammoniten-Gehäusetypen, die zu einer explosiven Formenvielfalt von Ceratiten in der Trias und zu Ammoniten mit komplizierten Lobenlinien im Jura führen. Eine überreiche Ammonitenentwicklung im Jura machte diese Fossilgruppe zur klassischen Leitfossilgruppe dieser Zeit.In der Kreidezeit entwickelten sich bei den Ammoniten abweichende Formen, weit aufgerollt und sogar die klassische Spiralform verlassende, unregelmäßig geformte Gehäusetypen (»aberrante Formen«). Offensichtlich waren mit der Zeit so viele Gestaltungsmöglichkeiten — und dies in geologisch kurzen Zeitintervallen — durchgespielt worden, dass auf der Suche nach anderen Ausbildungsformen die Endphase der Ammonitenentwicklung eingeleitet wurde.Dass damit für Ammoniten und Belemniten mit dem Ende der Kreide auch das Ende ihres so vielfältig verzweigten Stammbaums erreicht wurde, wird vorwiegend auf innere, evolutions- und damit erbmerkmalsbedingte Faktoren zurückgeführt, weniger auf ein katastrophales kosmisches Ereignis. Das schließt jedoch nicht aus, dass Klimaverschlechterungen an der K / T-Grenze, das Trockenfallen der riesigen oberkreidezeitlichen Flachmeere und vielleicht auch der in Diskussion stehende Meteoriteneinschlag die bestehende Evolutionskrise der Ammonitenentwicklung verschärften und zum Aussterbeereignis zuspitzten. Die Weiterexistenz des »lebenden Fossils« Nautilus bis zur heutigen Zeit, und die rezente Formenfülle kleiner und großer, zehn- und achtarmiger Tintenschnecken belegt aber, dass eine Nahrungskonkurrenz moderner Fische nicht der alleinige Grund für das Aussterben der Ammoniten und Belemniten der Kreidezeit gewesen sein kann.Aktualismus und EntwicklungsbrücheVerläuft die Entwicklung auf der Erde langsam und stetig, oder gibt es Sprünge? Diese Frage entschieden die Geologen ab dem 18. Jahrhundert und die Biologen ab dem 19. Jahrhundert zugunsten einer allmählichen, stetigen Entwicklung. James Hutton etwa formulierte in seiner »Theory of the Earth« 1788 das Aktualismus-Axiom, nach dem in der Erdgeschichte die wirkenden Kräfte und die Erscheinungen immer gleichartig blieben. Selbst die tiefstgreifenden Veränderungen der Erde im Lauf ihrer Geschichte könnten demnach nur auf Kräften beruhen, die auch heute sichtbar sind.Charles Darwin postulierte diese stetige Entwicklung auch für die Lebenswelt in seiner 1859 veröffentlichten Theorie der Evolution. Sein aktualistisches Konzept gipfelt in dem Ausspruch: »Die Natur macht keine Sprünge«. Für Darwin erklärt sich die phylogenetische Entwicklung der Arten als eine stetige Abfolge von Selektionsprozessen, die dafür sorgen, dass die jeweils bestangepassten Organismen am erfolgreichsten sind.Aktualisten wie Darwin, Hutton und der im 19. Jahrhundert berühmte Geologe Charles Lyell setzten sich mit ihrer Denkweise von der — religiös oder ideologisch beeinflussten — Katastrophentheorie wie etwa der Sintfluttheorie ab. Für sie erzwangen die ewig geltenden Naturgesetze einen stetigen Entwicklungsverlauf; Katastrophen, oder allgemein formuliert, Entwicklungsbrüche konnte es demnach nicht geben. Eine gewisse Rolle spielten dabei vielleicht die ungenügende Kenntnis und die lückenhafte Überlieferung der fossilen Belege.Der Denkfehler, der in der aktualistischen Weltsicht steckt, besteht darin, dass Katastrophen zwar unwahrscheinlich — im Sinn von sehr selten — sind, aber nicht unmöglich. Im Licht des Chicxulub-Einschlags kommen erhebliche Zweifel an einer stetigen Entwicklung der Erdgeschichte und an einer schrittweisen Evolution der Lebewesen auf. Und der Einschlag von vor 65 Millionen Jahren war beileibe nicht der einzige seiner Art.Schon der Blick auf den kraterübersäten Mond oder den Mars zeigt, dass solche Ereignisse angesichts der Existenzdauer unseres Sonnensystems geradezu häufig passieren. Die Häufigkeit hängt dabei direkt von der Größe der Objekte ab. Sternschnuppen kann man jede Nacht irgendwo auf der Erde sehen, kleinere Gesteinsbrocken schlagen auf der Erde alle paar Jahre einmal ein, und extrem große Meteoriten, die Krater wie Chicxulub hinterlassen, kollidieren — im statistischen Mittel — nur alle 200 Millionen Jahre mit der Erde.Bezogen auf das Lebensalter eines Menschen ist es sehr unwahrscheinlich, dass man selbst Zeuge einer solchen Katastrophe wird. Doch bezogen auf das Alter der Erde bedeutet dies, dass es bereits mehr als zwanzig solcher Einschläge gegeben haben muss. In der Tat kennt man auf der Erde rund ein Dutzend Meteoritenkrater, die größer als 32 Kilometer im Durchmesser sind — eine beachtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass drei Viertel der Erde vom Weltmeer bedeckt sind, wo das Auffinden solcher Krater sehr schwierig ist. Besonders bekannt sind der Manicouagan-Krater in Quebec (70 km Durchmesser, Einschlag vor 210 Millionen Jahren), der Popigai-Krater in Sibirien (100 km Durchmesser, vor 40 Millionen Jahren), die Sudbury-Struktur in Ontario (60 km Durchmesser, vor 1,8 Milliarden Jahren), die Siljan-Ringstruktur in Schweden (40 km Durchmesser, vor 400 Millionen Jahren). Iridium-Anreicherungen sind von ihnen nicht bekannt, ein Bezug zu Massenaussterben besteht allenfalls teilweise. Auch der Ries-Meteoritenkrater (über 20 km Durchmesser) hatte keine überregionalen Auswirkungen.Die erwähnte Iridium-Anomalie an der K / T-Grenze ist beileibe nicht die einzige, auf die Geologen inzwischen gestoßen sind. In einigen dieser Fälle spricht die Datierung der entsprechenden Schichten dafür, dass der Einschlag zeitlich mit einem Massenaussterben zusammenfällt. Manche Geologen, so etwa der US-Amerikaner David Raup, halten gar Meteoriteneinschläge für den alleinigen Auslöser solcher Ereignisse, auch wenn es bislang nicht gelungen ist, jedes Massenaussterben mit einem Einschlag zeitlich zu korrelieren. An der Grenze zwischen Perm und Trias, also zwischen Paläozoikum und Mesozoikum, hat man ebenfalls eine Iridiumanomalie nachweisen können.Neue FragestellungenSeither stellt sich der wissenschaftlichen Forschung eine Vielzahl neuer Fragen, von denen bislang nur wenige beantwortet werden können: Wie relativieren sich die Begriffe Mutation und Selektion, wenn katastrophale kosmische Ereignisse praktisch von einem auf den anderen Tag die Lebensbedingungen drastisch ändern? Wie sieht die globale Wechselwirkung von Erd- und Lebensgeschichte unter dem Einfluss großer tektonischer Prozesse aus, etwa wenn sich große Gebirge auffalten, Kontinente sich trennen oder miteinander kollidieren, wenn sie sich in andere Klimazonen verschieben? Wie wirken sich schließlich durch Klimakatastrophen bedingte Vereisungszeiten aus, was passiert, wenn große Teile von Kontinenten überflutet werden (Transgression) oder wenn von Flachmeeren bedeckte Kontinentalschelfe trockenfallen (Regression)? Wie beeinflussen Umpolungen des Erdmagnetfelds die Lebenswelt? Was war die Folge eines extremen Vulkanismus oder einer zeitweiligen Geokratie, also das Zusammenkommen aller Kontinente und Bildung einer einzigen großen Festlandmasse (Pangäa)?Insbesondere die darwinistische Vorstellung einer »natürlichen Zuchtwahl«, das Postulat vom Überleben der geeignetsten Population, gerät vor dem Hintergrund katastrophaler, geologisch (und evolutionär) betrachtet plötzlicher Umbrüche, in heftige gedankliche Turbulenzen. Denn anstelle einer gerichteten Entwicklung zu einem höheren Anpassungswert waren es wohl eher Zufälligkeiten, die an der K / T-Grenze ebenso wie an anderen entscheidenden Übergängen innerhalb der Erdgeschichte die Lebensformen in Gewinner und Verlierer schied.Auch die Vorstellung der »höher entwickelten« Säugetiere und der »darunter stehenden« Reptilien gerät dabei ins Wanken. Vielleicht gab es zwischen beiden Gruppen gar keinen darwinistischen Konkurrenzkampf. Vielmehr trennten die äußeren, abiotischen Faktoren beide Gruppen in Gewinner und Verlierer. Möglicherweise, so könnte man sagen, haben die Säugetiere einfach nur mehr Glück gehabt, indem sie zufällig über jene Entwicklungen verfügten, die ihnen das Überleben in der von der Katastrophe veränderten Umwelt ermöglichten. Wie ungerechtfertigt es ist, die Säugetiere hinsichtlich ihrer Entwicklungshöhe über die Reptilien zu stellen, beweist bereits die Tatsache, dass die Säugetiere über rund hundert Millionen Jahre hinweg im von den Sauriern beherrschten Mesozoikum lediglich ein bescheidenes Nischendasein fristeten. Die Vorstellung eines »Fortschritts« in der Evolution im Sinn der Höherentwicklung hatte schon Darwin abgelehnt. Die Einzeller beherrschen noch heute nach Individuenzahl und Biomasse die Erde. Bakterien können sich viel leichter und schneller an neue Umweltbedingungen anpassen als Säugetiere.Die amerikanischen Paläontologen Stephen Jay Gould und Niles Eldredge vertreten die These des »unterbrochenen Gleichgewichts« in der Evolution: Evolution verläuft nicht graduell, sondern episodisch, ist durch Massenaussterben, durch Zufälle geprägt. Lange Zeiten evolutionären Gleichgewichts oder Stillstehens wechseln mit relativ kurzen Perioden starker Entwicklungsaktivität. Es gibt einen Wandel in Richtung zu größerer Komplexität; er ist aber nicht die Triebkraft, die hinter der Evolution steht, sondern nur ein passiver Trend, ein Zufall. Die massiven Veränderungen sind die schöpferischen Höhepunkte der Entwicklung, bei denen viele Arten scheinbar plötzlich aussterben; es handelt sich aber meist um Zeiträume von mehreren Millionen Jahren. Durch Massenaussterben werden der Evolution neue Chancen geboten. Die Lücken, die frei werdenden ökologischen Nischen, werden von überlebenden Arten besetzt. So konnten sich anstelle der aussterbenden Dinosaurier, wechselwarmen Reptilien also, die Säugetiere entfalten, die ihre Körperwärme konstant halten können. Solche Veränderungen müssen aber nicht — so Gould — durch äußere Ereignisse wie Meteoriteneinschläge, gewaltige Vulkanausbrüche, weltweite Klimaänderungen oder plattentektonische Bewegungen ausgelöst werden. Sie können zufällig entstehen, ähnlich einem durch Aufschüttung gebildeten Sandhaufen, bei dem plötzlich — schon durch ein einzelnes zusätzliches Sandkorn — Sandlawinen in Bewegung gesetzt werden.Richten wir den Blick auf die Gegenwart, so sehen wir ebenfalls einen gewaltigen Prozess des Aussterbens ablaufen, bedingt durch rasche Veränderung der Umwelt. Hier bekommt die Entwicklung aber eine neue Dimension und ist der Verursacher klar erkennbar: Verantwortlich ist der Mensch, der selber nur das Zufallsprodukt eines unberechenbaren Prozesses und nicht die Krone der Schöpfung ist. Hier droht »die sechste Auslöschung« (Leakey/Lewin). Schon gegen Ende der letzten Eiszeit, beim Verschwinden vieler Großsäugetiere (Mammut, Riesenfaultier und andere), war der Mensch beteiligt.Prof. Dr. Rudolf DaberWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Dinosaurier: Zu Lande und in der LuftEldredge, Niles: Wendezeiten des Lebens. Katastrophen in Erdgeschichte und Evolution. Aus dem Englischen. Taschenbuchausgabe Frankfurt am Main u. a. 1997.Raup, David M.: Der Untergang der Dinosaurier. Der schwarze Stern »Nemesis« und die Auslöschung der Arten. Aus dem Englischen. Reinbek 1992.Stanley, Steven M.: Krisen der Evolution. Artensterben in der Erdgeschichte. Aus dem Englischen. Heidelberg 21989.
Universal-Lexikon. 2012.